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Nicht nur Liechtenstein ist ein großes Land
NU - Ausgabe Nr. 35 (1/2009)
Von Erwin Javor
Simpl-Stars unter sich. Sagt Fritz Heller zum Karl Farkas: „Liechtenstein ist so ein riesiges Land, a Wahnsinn.“ „Wie kommst du drauf?!“ „Ich habe eine Landkarte gesehen, da war NUR Liechtenstein drauf!“ Es war einmal ein klitzekleines Land, umringt von großen, riesigen Ländern, das es schaffte, so riesengroß zu werden, dass es die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzte und an allem schuld war, was dieser Tage die Welt erschütterte. Nein, nicht Liechtenstein. Richtig! Israel.
In allen Medien der Welt wird Israel täglich als riesige Weltmacht dargestellt, bis auf die Zähne bewaffnet, die an der Küste ein brutales Gefängnis unterhält. Nein, nicht Guantanamo. Richtig! Gaza. Das Leben in Gaza ist äußerst schwierig. Keine Arbeit, keine Hoffnung, kein Wohlstand, geschlossene Grenzen. Grenzen? Plural? Richtig! Die Grenze nach Israel und die nach Ägypten. Die pflegt man angesichts der herbeifantasierten Dimension Israels – das de facto so „groß“ ist wie Niederösterreich – nämlich gerne zu vergessen.
Als Gaza von 1948 bis 1967 unter ägyptischer Verwaltung stand, hatten die dort lebenden Palästinenser nicht einmal staatsbürgerliche Rechte. Umgekehrt, als die Grenze des Gazastreifens nach Israel in den 1990er Jahren geöffnet wurde, konnte man eine deutliche wirtschaftliche Erholung feststellen. Israel ist, wenn man es nicht gerade mit Raketen beschießt und mit Selbstmordterroristen attackiert, einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der Region.
Als die Israelis den viel diskutierten Schutzzaun zu errichten begannen, schrie die Weltöffentlichkeit empört auf. Als die Ägypter eine drei Meter hohe Sperrmauer bauten, die sie von den lästigen Gazabewohnern abschirmte – bemerkte das überhaupt jemand?
Diese tragischen Ursprünge in der arabischen Kain-und-Abel-Brüderschaft zwischen Gaza-Palästinensern und Ägyptern haben sich bis heute gehalten: Gaza blickt mittlerweile auf eine generationenlange Tradition als Flüchtlingszuchtanstalt zurück.
Während Israel nach 1948 hunderttausende jüdische Flüchtlinge aus den arabischen Ländern voll integriert hat, ergeht es den vertriebenen Palästinensern in den Autonomiegebieten wie ihren Vorvätern: Sie werden in entwürdigender Hilflosigkeit gehalten. UN-Hilfsorganisationen ernähren sie, aber nicht die arabischen Brüder auf der ägyptischen Seite der Grenze. Warum eigentlich nicht?
Anfänglich war Ägypten daran interessiert, diese unglücklichen Menschen klein zu halten. Damals war das nützlich, als ein Fanal, ein geradezu genialer Marketing-Coup, um der Welt zu signalisieren: Was hier geschieht, kann nur durch Rückeroberung und Krieg gelöst werden. Inzwischen haben die Ägypter ein viel weiter reichendes Problem. Die Hamas, genauso wie die artverwandte in Ägypten verfolgte Muslimbrüderschaft, lehrt auch sie das Fürchten, wenn auch aus anderen Gründen als Israel.
Auf dem Rücken Israels wird die Angst des gesamten Westens ausgetragen, denn Israel ist der greifbare Teil des Gesamtfeindes, nämlich die westliche Lebensart, symbolisiert durch die USA, die EU und das verwestlichte Ägypten. Raketen nach Jerusalem zu schießen, ist eine Fingerübung. Gäbe es Israel nicht, würden sich die Raketen und Sprengstoffattentate direkt gegen die westlich angehauchten arabischen Staaten und deren Führer wenden. Aus Angst, den labilen Frieden mit Ägypten zu gefährden, versäumt es Israel, laut und deutlich von Ägypten das einzufordern, was die Weltöffentlichkeit permanent von Israel verlangt, nämlich die Öffnung der Grenze – und zwar nach Ägypten.
Mit Hilfe der Petrodollars und durchaus auch mit der Unterstützung Israels könnte ein zweites Singapur im Nahen Osten entstehen, der Aufbau von Infrastruktur für die Gaza-Bewohner sowie ein reger Wirtschaftsaustausch unter zwei verwandten Kulturen. Das Geld, das derzeit für Waffen verpulvert wird, würde den irregeleiteten Menschen im Gazastreifen eine Zukunft ermöglichen. Dann hätten auch sie etwas zu verlieren, und das wäre die beste Hemmschwelle gegen sinnlose Gewalt.