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Ichmanngasse - Sackgasse
NU - Ausgabe Nr. 24 (2/2006)
von Erwin Javor
Gerhard Bronner muss prophetische Gaben besitzen. Schon vor Jahr-zehnten hat er in seinem Programm „Die unruhige Kugel“ folgende Szene beschrieben: Anlässlich der feierlichen Eröffnung des St. Gotthardtunnels wird unter anderem auch ein israelischer Ingenieur gefragt, wie in Israel der Bau eines Tunnels geplant wird. „Ganz einfach und ohne komplizierte Berechnung. Man gräbt gleichzeitig von beiden Seiten und in der Mitte trifft man sich.“ Auf die erstaunte Frage, was denn geschehen würde, falls man sich nicht treffen sollte, antwortete der Israeli: „Na, dann haben wir halt zwei Tunnels.“ Trefflicher kann man die derzeitige Bauwut der Kultusgemeinde wahrlich nicht beschreiben.
Mitten in einer Art Mondlandschaft —der geneigte Leser soll sich bitte selbst einen Eindruck davon machen — soll im zweiten Wiener Gemeindebezirk in der Ichmanngasse ein Monster-projekt entstehen. Schule, Kindergarten, Sportplatz und Elternheim sollen auf einen Ort zusammengezogen werden. Im Gegenzug wurde die Schule in der Castellezgasse um ca. vier Millionen Euro und das Elternheim im 19. Bezirk in der Bauernfeldgasse, gemeinsam mit einem wertvollen unbebauten Nachbargrundstück, um ca. sieben Millionen Euro verkauft.
Statt die notwendige Erweiterung für die Bewohner des Elternheims an Ort und Stelle zu verwirklichen, werden 2008 unsere Senioren aus ihrer gewohnten und gewachsenen Gegend mit ausgezeichneter Infrastruktur, in eine unbewohnte Region — ohne Kaffeehäuser und Einkaufsmöglichkeit — übersiedelt. Und die Kosten dieses Neubaus in der Ichmanngasse werden — laut IKG-Präsident Ariel Muzicant — über 50 Millionen Euro betragen. Finanziert wird dieses Projekt auch durch ein zinsenloses, aber dennoch rückzuzahlendes Darlehen von 20 Millionen Euro. Im Übrigen gibt es bis zum heutigen Tag keinerlei Berechnung der künftigen Betriebskosten.
Muzicant hat durch seine Hartnäckigkeit in der Restitutionsfrage einen unerwarteten finanziellen Erfolg für die IKG verbuchen können. Gleichzeitig wurde durch die Härte in den Verhandlungen die Auszahlung für viele betagte Opfer der Shoa verzögert und ist noch immer nicht vollständig erfolgt. Dennoch ist es ein historisches Verdienst Muzicants, die IKG vor dem Konkurs gerettet zu haben. Aber das gibt ihm noch nicht das Recht, alles wieder aufs Spiel zu setzen.
Ein Projekt dieser Größenordnung ist für unsere kleine Gemeinde unnötig und letztlich auch undurchführbar. Unsere Verwaltung wäre damit völlig überfordert und die meisten ehrenamtlichen Kultusräte, die bereits jetzt ihre gesamte Freizeit in mehr oder weniger wichtigen Besprechungen versitzen, sind absolut nicht in der Lage, diese komplexe Materie zu durchschauen. Dazu kommt, dass die derzeitige Führung nicht bereit ist, die Bilanzen unserer Gemeinde allen Mitgliedern zugänglich zu machen oder sie zumindest von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testieren zu lassen.
Die Zahlen, die Mitglieder erhalten, sind willkürlich erstellte Budgetziffern, die man nirgendwo hinterfragen kann. Wir haben ja nicht einmal eine funktionierende und statutarisch vorgeschriebene Kontrollkommission. Seit vor mehr als zwei Jahren die treibende Kraft und die Seele dieses Gremiums, Amos Davidovits, frustriert das Handtuch geworfen hat, gibt es faktisch keine Prüfung mehr.
Die herablassende Art, mit der Präsident Muzicant auf sachliche Kritik von Martin Engelberg reagiert, lässt alle meine Alarmglocken läuten. Dass Machtrausch, Größenwahn und mangelnde Kontrolle schlechte Berater sind, kann man derzeit ganz aktuell in der Causa BAWAG beobachten.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Kosten unserer derzeitigen und noch geplanten Infrastruktur nicht mehr seriös zu finanzieren sind. Und wir alle sollten vermeiden, vom Wohlwollen der heutigen oder auch jeder zukünftigen österreichischen Regierung abhängig zu sein.