Echo - Javor Center

Rede anlässlich der Eröffnung des Markus und Rose Javor-Center

27. Dezember 2011 in Herzlia
Von Erwin Javor

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin!
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister!
Liebe Familie!
Liebe Freunde!

Nach dem Tod meines Vaters hat meine Mutter ursprünglich schon 1984 gemeinsam mit der Stadt Herzlia ein Zentrum gebaut und bis zu Ihrem Tod regen Anteil an der Entwicklung genommen. A`propos Herzlia. Herzl war Wiener, stammte aus Budapest und hatte Sehnsucht nach Israel. Eine kleine Parallele zu meinem Leben.

Wir waren alle sehr stolz, dass ein derartig positives Vorhaben mit allen Inhalten, die hier gelebt werden den Namen meines Vaters getragen hat. Unmittelbar nach dem Tod meiner Mutter habe auch ich diesen Gedanken weitergeschrieben und kann nunmehr mit der Hilfe der Stadt, mit der Hilfe der Architekten, mit der Hilfe von Sergio und mit Unterstützung meiner Frau und unseres Sohnes Daniel dieses Zentrum seiner Bestimmung übergeben.

Ich gestehe, dass ich jetzt von meinen Gefühlen überwältigt bin. Für mich ist das ein wichtiger Tag. Und ich werde Ihnen jetzt erklären warum.

In seinem galizischen Schtetl hatte mein Vater gesehen, wie geachtete, gelehrte fromme Juden von SS-Schergen gezwungen wurden, aufeinander zu reiten. Sie mussten auf allen Vieren kriechen. Besonders schwere andere Juden mussten sich als Jockeys auf sie setzen und dann unter dem Gaudium der Nazis um die Wette reiten. Da begann mein Vater zu zweifeln und sich zu fragen, ob die Nazis nicht vielleicht doch Recht hatten. Waren wir nicht wirklich Untermenschen? Wie konnte es sonst sein, dass die, die er bisher wegen ihrer Bildung und Weisheit so bewundert hatte, so tief sinken konnten? Und was war aus ihm selbst geworden? Wie konnte er diesem Treiben zusehen ohne auf die Peiniger loszugehen?

Nach dem Krieg sah mein Vater einen einzelnen, mit einer Maschinenpistole bewaffneten russischen Soldaten, der hunderte deutsche Gefangene bewachte. Sie waren genauso verdreckt, verängstigt, gebückt und erniedrigt wie vor ihnen die Juden. Hunderte Deutsche hatten sich auch nicht gewehrt - gegen den einen Russen. Erst da begriff mein Vater, dass jeder, egal wer, in der entsprechenden Situation zum Untermenschen gemacht werden kann.

Aber meine Eltern und meine Schwester gehörten auch zu der Generation, die aus Sümpfen und Wüste Israel, den eigenen Staat der Juden, aufgebaut und sich gegen eine militärische Übermacht behauptet hatte. Die Überlebenden der Shoah hatten innerhalb weniger Jahre in menschliche Abgründe gesehen. Sie waren es aber auch, die den Traum der Gründung Israels verwirklicht hatten. Sie überlebten die Höllen der Erniedrigung und erlebten den Höhenflug, stolze Israelis zu sein. Eine unfassbare Spannbreite an Gefühlen.

Meine Generation und die Generation meiner Kinder hat diese Abgründe nie am eigenen Leib verspürt. Wir sind keine Shoah-Überlebenden, aber wir sind Shoah-Geschädigte. Unsere Eltern haben uns gelehrt, dass ein Koffer besser immer gepackt bleiben sollte. Ich habe drei Kinder, eines davon lebt in Israel, eines in den USA, eines ist wie ich immer unterwegs zwischen Österreich und Israel.

Meine Eltern haben mich gelehrt was es heißt ein aufrechtes und stolzes Leben als Jude zu führen. Ich versuche das auch meinen Kindern weiterzugeben. Mein Sohn Daniel hat es nun als Erster geschafft. Er tut das, was ich mir für mein Leben gewünscht hätte. Er lebt hier und ich beneide und bedauere ihn gleichzeitig. Denn außer der Liebe zu und von den Menschen hat Israel auch Schwierigkeiten, Absurditäten und andere Überraschungen auf Lager. Wenn Daniel es hier schafft – und davon bin ich überzeugt – dann überall in der Welt.

Auch in diesem Zentrum treffen sich täglich mehrere Generationen. Shoah-Überlebende, Freiheitskämpfer für Israel, deren Kinder und Enkelkinder. Was diesen Ort so besonders und wichtig macht ist die Tatsache, dass hier generationenübergreifend gemeinsame Werte gelebt werden. Hier wird nicht Vergangenheit gelebt, sondern Gegenwart und Zukunft.

Ich denke an dieser Stelle vor allem auch an meine Schwester, die sich aus Verzweiflung, nicht nach Israel auswandern zu dürfen, als 14-jährige tragischerweise das Leben genommen hat.

Heute zu Chanuka, dem nationalen Befreiungsfest, stehen meine Frau und ich stellvertretend für meine Eltern und meine Schwester hier und hoffen, dass dieses Zentrum einen kleinen Beitrag zur positiven Entwicklung in dem schönen Herzlia leisten wird.

Vielen Dank