NU - Kommentare

Alltagsgeschichten

NU - Ausgabe Nr. 21 (3/2005)
von Erwin Javor

Anwar Sadat und Menachem Begin schlossen vor 26 Jahren ein Friedensabkommen, das Israel und Ägypten innerhalb eines bilateralen Vertragswerkes zu Konzessionen verpflichtete. Im Gegensatz dazu stellt der nun erfolgte Gaza-Rückzug eine einseitige Vorleistung Israels dar.
Der Abzug erinnert zwar an das gelungene Camp-David-Abkommen und die Rückgabe der Sinai-Halbinsel an Ägypten, allerdings war Ariel Sharon jetzt gezwungen, alleine Fakten zu schaffen. Ohne Gegenleistungen der Palästinenser wurden israelische Siedlungen evakuiert. Ein Vorgehen, das meiner Meinung nach mehr Anerkennung in der Presselandschaft verdient hätte. Doch nichts scheint hartnäckiger als eine einmal vorgefasste Meinung. Im überwiegenden Teil der internationalen Pressekommentare wurde die einseitige Berichterstattung der letzten Jahre fortgesetzt. Rund 6.000 Journalisten aus aller Welt haben an einem der größten Medienspektakel dieses Jahres teilgenommen und wurden damit Zeugen eines äußerst schmerzhaften Prozesses. Tränen flossen nicht nur bei den Siedlern, sondern auch bei den Soldaten. Journalisten, die im Vorfeld von einem “drohenden israelischen Bürgerkrieg” und von der Gewaltbereitschaft der Siedler berichteten, wurden eines Besseren belehrt.
Die gut vorbereitete Armee konnte die Siedler ohne Waffengewalt zu einem friedlichen Abzug bewegen und verhalf damit der Demokratie zum Sieg. Das hinderte aber viele Medien nicht daran, die Evakuierung der Siedlungen in Gaza und im Westjordanland als rein taktisches Manöver der israelischen Regierung darzustellen. In Wahrheit wäre dieser wichtige Schritt Israels die Basis für die richtigen Antworten der palästinensischen Behörde. Die Angst besteht, dass dieser Rückzug nicht als neue Chance der Annäherung, sondern als Zeichen von Schwäche und als Ermutigung für die Hamas und andere Hardliner gesehen wird. Diese wohl nicht unberechtigte Angst kann nur genommen werden, wenn der Gazastreifen eine ordentliche Verwaltung erhält und nicht zu einem Aufmarschgebiet des palästinensischen Extremismus verkommt.
Rund 3.000 Anhänger der islamischen Bewegung Hamas sind durch die Stadt Khan Yunis marschiert, um den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen zu feiern. Unter ihnen waren mehrere hundert maskierte Kämpfer mit Raketenwerfern und Gewehren. In einer Ansprache sagte ein Hamas-Funktionär: “Widerstand ist der einzige Weg zum Sieg. Dies ist nur der erste Schritt zur Befreiung von ganz Palästina mit Jerusalem.” “Dies ist der Anfang vom Ende des zionistischen Projekts in der Region”, erklärte Khaled Mechaal, Leiter des politischen Büros der Hamas. Und Hamas-Chef Chaled Maschal kündigte jetzt schon die Fortsetzung des Kampfes an, “bis das zionistische Projekt beendet ist”. Präsident Mahmud Abbas verkündete: “Erst Gaza, dann Jenin und dann Jerusalem.” In Gaza sind aber jetzt nicht große Worte, sondern Investitionen notwendig, und dafür sollten sich zur Abwechslung auch einmal die arabischen Bruderstaaten verantwortlich fühlen.
Denn im Gegensatz zu der Spendenbereitschaft der Juden aus aller Welt für Israel haben die arabischen Staaten das palästinensische Volk in der Vergangenheit wirtschaftlich schmählich im Stich gelassen und für politische Manöver missbraucht. Jetzt gäbe es für die arabische Welt eine gute Gelegenheit, den Wirtschaftsaufbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen für das Heer der Arbeitslosen unter den 1,2 Millionen Einwohnern des Gazastreifens massiv zu unterstützen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich der Erdölpreis in den letzten drei Jahren - bei gleich bleibenden Produktionskosten - mehr als verdreifacht hat. Die notwendigen Gelder könnten daher leicht aus deren Portokassa bezahlt werden.