NU - Kommentare

Israel wird nicht Kärnten werden

NU - Ausgabe Nr. 39 (1/2010)
Von Erwin Javor

Ich schäme mich.

Ein israelischer Fernsehsender filmte auf Anordnung von Außenminister Avigdor Lieberman, wie der türkische Botschafter Ahmet Celikkol in die Knesset bestellt wurde, um zu einer antisemitischen und antiisraelischen Serie Stellung zu beziehen, in der Mossad-Agenten Babys entführen und Kriegsverbrechen begehen. Soweit wäre das in Ordnung. Für das demütigende Wie habe ich mich geschämt: Zuerst wurde der türkische Botschafter demonstrativ vor der geschlossenen Tür des stellvertretenden Außenministers Danny Ayalon stehen gelassen, dann auf einen deutlich niedrigeren Sitz bugsiert. Nicht nur, dass es Israelis nötig hatten, zu so einem primitiven Ausdruck ihrer Schadenfreude zu greifen, war diese Vorgangsweise auch kontraproduktiv, weil sie Unrecht mit schlechtem Benehmen zu begegnen versuchte. Kleinkarierte Rundumschläge helfen uns nicht nur nicht weiter, sondern verhindern Aufklärung und Abbau von absurden Feindseligkeiten.

Diplomatisch geglänzt hat Israel auch nicht in seiner – inhaltlich natürlich völlig berechtigten – Empörung gegen eine schwedische Zeitung, die verbreitet hatte, dass Israels Armee Organe von Palästinensern ausschlachtet und damit Handel betreibt, also gewissermaßen eine moderne „Anderl von Rinn“-Variante praktizieren würde. Es hat jedenfalls sicher nicht geholfen, das Wiederaufflammen der Organhandellegende anlässlich des Erdbebens in Haiti zu unterbinden. Die gebührende Anerkennung für die ausgesprochen erfolgreiche israelische Hilfe für die Bebenopfer hat es jedenfalls überlagert.

Und ich bin stolz.

„Ich stehe hier vor Ihnen am Tor der Nationen als ein jüdischer Mann und als Bürger des freien und souveränen Staates Israel … Ich wurde in Eretz Israel geboren, als Sohn von Pionieren, die auf dem Land arbeiteten und die nicht ins Land gekommen waren, um zu streiten oder die Einwohner zu vertreiben. Wenn die Umstände es nicht erforderlich gemacht hätten, wäre ich nicht Soldat geworden, sondern Bauer und Landwirt … In dieser Woche hat der letzte israelische Soldat den Gazastreifen verlassen, und die Militärverwaltung im Gazastreifen wurde beendet. Der Staat Israel hat bewiesen, dass er zu schmerzhaften Konzessionen für die Beilegung des Konflikts mit den Palästinensern bereit ist“, sagte ein erkennbar bewegter Ariel Sharon 2005 in seiner historischen Rede vor der UNO-Vollversammlung.

„… während es mein Herz zerreißt, wenn ich an die Gräueltaten der Vergangenheit denke, blicken meine Augen in die gemeinsame Zukunft einer Welt von jungen Menschen, in der es keinen Platz für Hass gibt. Eine Welt, in der die Worte ,Krieg‘ und ,Antisemitismus‘ nicht mehr existieren … Als Jude trage ich für immer den Stempel des Schmerzes über den Mord an meinen Brüdern und Schwestern. Als Israeli beweine ich die tragische Verzögerung der Entstehung des Staates Israel, weswegen mein Volk ohne Zufluchtsstätte blieb. Ich bin stolz auf die Gründung des Staates Israel, die moralische und historische Antwort auf den Versuch, das jüdische Volk von der Erde zu tilgen … Die Ermordung der Juden Europas durch Nazi-Deutschland darf nicht als ein astronomisches ,schwarzes Loch‘ betrachtet werden, als ein Todesstern, der das Licht schluckt und die Vergangenheit gemeinsam mit der Zukunft verschlingt. Die Shoah darf uns aber auch nicht davon abhalten, an das Gute zu glauben. An die Hoffnung, an das Leben.“ Das sind die Worte von Shimon Peres aus seiner Rede, die er kürzlich im Deutschen Bundestag anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages gehalten hat.

Israelis wählen in einer immerwährenden, verzweifelten Pendelbewegung einmal die eine, einmal die andere Regierung, denn sie hören nicht auf, immer wieder nach solchen Menschen, Lösungen, Frieden und Ethik zu suchen. Darauf vertraue ich. Deshalb werden die aktuellen israelischen Gebrüder Scheuch auch wieder abgewählt werden.