NU - Kommentare

Des Kanzlers neue Kleider

NU - Ausgabe Nr. 27 (1/2007)
von Erwin Javor

Hallo! Ist da jemand? André Heller und Co bitte aufwachen! Wieso spricht denn keiner von Euch die simple Wahrheit aus?
Die derzeitige Performance von Bundeskanzler Gusenbauer erinnert mich stark an einen Ausspruch von Woody Allen, der einmal über seine weiblichen Fans befragt wurde: „Diese Groupies sind wirklich hartnäckig. Immer wenn ich auf einer Gastspielreise in einem Hotel übernachte, hämmern und klopfen diese vielen jungen Mädchen verzweifelt an meine Zimmertür. Ich aber bleibe standhaft. Die können pumpern soviel sie wollen, ich lasse sie ganz einfach nicht hinaus.“
Gusenbauers WählerInnen sitzen nämlich in der Falle. So wie viele Freunde und Sympathisanten aus Künstler- und Intellektuellenkreisen, die ihm jahrelang in der Oppositionszeit die Stange gehalten und ihn gefördert haben.
Der Gusenbauer-Kurs hat aber spätestens mit dem Spargelessen mit Haider begonnen und hätte eigentlich jeden aufmerksamen Beobachter stutzig machen müssen. Gusenbauer konnte schon in seiner Oppositionszeit den Verlockungen, so zu reden wie es Hans Dichand gerne hört, nicht widerstehen. Die Methode, Wählerstimmen im dritten Lager zu lukrieren, führte letztlich unter anderem zur Zustimmung der SPÖ zu den Verschlechterungen im Asylgesetz. Der derzeitige Höhepunkt ist aber damit erreicht, dass Gusenbauer Strache einen Freibrief ausstellt, indem er seine Kriegsspiele als „Jugendtorheit“ verniedlicht.
Nun kann man auf dem Standpunkt stehen, dass man sich von einer Tat, die vor zwanzig Jahren im jugendlichen Leichtsinn begangen wurde, distanzieren darf. Die Voraussetzung ist jedoch eine radikale Abkehr von einer Unheil bringenden Weltanschauung. Aber Strache hat sich keinesfalls geändert und falls die ehemaligen „Wehrsportübungen“, an denen unter anderem auch der bekennende Neonazi Andreas Thierry teilgenommen hat, als Beweis für eine Jugendtorheit herhalten müssen, dann ist Strache konsequenterweise im Besitz des Geheimnisses der ewigen Jugend.
Bezeichnenderweise wurde Strache bereits 1991 durch Westenthaler (sic!) der Eintritt in den RFJ verweigert, weil ihm dieser zu rechtslastig war. Nach einer Kundgebung von Rechtextremisten, die gegen die Wehrmachtsausstellung protestierten, bezeichnete er die Zusammenrottung von Neonazis als „legale, angemeldete und auf dem Rechtsboden stehende Demonstra­tion von Andersdenkenden“. Die „Andersdenkenden“ skandierten bei diesem Umzug in der Innenstadt unter anderem den Liedtext einer Skinhead-Band namens Gestapo: „Ich mag Adolf und sein Reich, alle Juden sind mir gleich, ich mag Skinheads und SA, Türken klatschen, ist doch klar …“ Am 8. Mai 2004 beim „Totengedenken“ im Inneren der Wiener Hofburg hielt Strache die „Gedenkrede für die deutschen Gefallenen des Krieges“. Für ihn sind die Wehrmachtsdeserteure „Täter“, die „Unschuldige auf dem Gewissen“ haben. Beim Wiener Landesparteitag der FPÖ im Juni 2006 meinte er, angesichts einer angeblichen „Überfremdung“ oder „Umvolkung“ sei es nötig, „den Kampfanzug anzuziehen“. Zwei Mal sei in der Vergangenheit bereits die Türkenbelagerung zurückgeschlagen worden. Und er warnt vor „hunderttausenden Zigeunern, die darauf warten, zu uns zu kommen“.
Hallo! Ist da jemand? André Heller und Co, bitte aufwachen! Wieso spricht denn keiner von euch die simple Wahrheit aus, dass der Kanzler in Wirklichkeit nackt ist? Warum hören wir keine deutlichen Worte vom anständigen Kern der Partei? Ist denn Taktik, die ausschließlich für Machterhalt eingesetzt wird und moralische Prinzipien über Bord wirft, nicht auf Dauer kontraproduktiv? Sind der „Verhandlungserfolg“ mit der ÖVP und die gebrochenen Wahlversprechen nicht bereits ausreichende Belege für die Ignoranz des Parteiobmanns? Ist die SPÖ aus falsch verstandenem Corpsgeist bereits unfähig zur Selbstregulierung? Wozu wurde Schüssel abgewählt? Hat es denn genügt, etwas zu verändern, damit alles beim Alten bleibt?
Ich jedenfalls, bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass unter Alfred Gusenbauer keine Restitution be­­schlossen worden wäre.