NU - Mammeloschn

Grießen musst du!

NU - Ausgabe Nr. 44 (2/2011)
Von Erwin Javor

Sie haben in dieser Kolumne schon viel gelernt, stimmt’s? Viel Lebensnahes. Sogar fluchen! Erstklassige Schimpfworte! Ich habe es nur leider – durch eine Überschätzung der Kursteilnehmer – verabsäumt, einige Basisbegriffe wie passendes Grüßen ebenfalls zu unterrichten. Wir holen das jetzt nach.

Jeder meiner (aufmerksamen) Leser weiß, dass die „Tante Jolesch“ von Friedrich Torberg mein Glaubensbekenntnis und die Geschichte von Fritz Krasa, einem Prager Kauz, der wegen seiner roten Haare „der rote Krasa“ genannt wurde, eine meiner liebsten ist. Zur Erinnerung für die, die nicht aufgepasst haben: Der besagte „rote Krasa“ war weder besonders schön noch besonders gescheit und es konnte auch keinerlei Anzeichen von besonderem Charme festgestellt werden. Trotzdem galt er in Prag als Casanova schlechthin. Gefragt nach dem Rezept seines beneidenswerten Erfolges antwortete er geheimnisvoll: „Grießen musst du. So lange grießen, bis du sie im Bett hast.“ Also, wie grießt man am besten? Wenn man jemandem zum ersten Mal begegnet und näher kennenlernen will, empfiehlt sich zunächst einmal als Einstiegsfrage „Schulem alechem. Vin wannet kimmt a Jid?“ (Friede sei mit dir. Woher kommt ein Jude?) Was heißt das? Diese Frage signalisiert, dass das Gegenüber mindestens folgende relevante Daten bekanntgeben möge: Name, Adresse, Familienstand, Anzahl der Kinder, Alter und Heiratsfähigkeit derselben, Leichen im Keller, Einkommen, Beruf, Krankheiten, Mitgliedschaft und Stellung in der örtlichen Kultusgemeinde. Selbstverständlich erwartet sich der frisch Verhörte ohne eine Gegenfrage abmühen zu müssen dasselbe von Ihnen. Das heißt, der Beginn einer wundervollen Freundschaft kann dauern. Um diese bereits im Vorfeld verprasste Zeit wieder einzusparen, grüßt man einen guten Bekannten, der diese Aufnahmsprüfung bereits bestanden hat, mit „a gittn“. (In anderen Worten: EinengutenTagwünscheichIhnenWiegehtesIhnenheuteWasmachtIhreGesundheitWas

machenIhreKinderunddieEnkelunddiezukünftigenEnkel?)

Zu den Feiertagen investiert man dann wieder etwas mehr Zeit und Worte. Wenn Sie sich nur ein Einheitsvokabel merken können, merken Sie sich „git Jontew“, was so viel heißt wie „guten Feiertag“ und in Wirklichkeit ein Pleonasmus ist. Weil, und das müssen sich die Bildungsfernen unter Ihnen jetzt nicht merken, aber es ist ganz interessant, das hebräische „jom tov“ bedeutet wörtlich übersetzt „guter Tag“ (und somit implizit einen Feiertag). Auf Jiddisch fand dann eine Verballhornung von „jom tov“ auf „git jontew“ statt, womit Sie auf Jiddisch dann gleich zweimal einen guten Tag gewünscht haben.

Jetzt bitte wieder alle aufpassen. Am Schabbath wünscht man „git Schabbes“ bzw. „Schabbath Schalom“. Das ist leicht. Schabbes nach Sonnenuntergang wünscht man dann „a gitte massldike Woch“ (eine gute, glückliche Woche). Zu den hohen Feiertagen – dem Neujahrsfest Rosch ha-Schanah und am Jom Kippur – wünscht man „a git gebenscht jur“ (ein gutes, gesegnetes Jahr) oder, auf Hebräisch, „Schanah Tova“. Zu Chanukah und Purim, auch das ist wieder leicht zu merken, sagen Sie einfach: „Simchas Chanukah“ bzw. „simchas Purim“. War doch gar nicht schwer, oder? Und jetzt werden Sie die folgende Geschichte auch geradezu mühelos verstehen:

Im Frühling landet eine AUA-Maschine am Ben Gurion Flughafen in Tel Aviv. Die Flugbegleiterin verkündet im Landeanflug den üblichen Text: „Stellen Sie nun Ihre Rückenlehne wieder senkrecht, schnallen Sie sich an und bleiben Sie sitzen, bis die Maschine beim Gate zum völligen Stillstand gekommen ist. Drehen Sie bitte auch erst dann ihre Mobiltelefone wieder auf.“ Die Maschine rollt noch aus, die Stewardess setzt ohne Luft zu holen mit der nächsten Durchsage fort: „Jenen Damen und Herren, die gerade stehen und am Handy telefonieren, wünsche ich „ajn frelechen kosheren Pessach“ (ein fröhliches, koscheres Pessachfest) und jenen Damen und Herren, die tatsächlich sitzen geblieben sind „frohe Ostern!“. Und jetzt, meine Damen und Herren, können Sie auch grießen.