NU - Mammeloschn

Kurzlaute und Gesten

NU - Ausgabe Nr. 45 (3/2011)
Von Erwin Javor

Die mittelhochdeutsche Onomatopoesie oder Naturlaute und Schallworte im Jiddischen als außersprachliches akustisches Phänomen und Gestik im Sinne von kommunikativen Bewegungen insbesondere der Arme, Hände und des Kopfes als lautsprachersetzende wie auch lautsprachbegleitende bzw. lautsprachunterstützende nonverbale Kommunikation.

Jiddisch ist keine geschwätzige Sprache. Was, so werden Sie sich vielleicht fragen, wenn Sie mitdenken, soll dann dieser langatmige Titel?

„Savlanut!“ (hebräisch für: Geduld). Und wenn Sie mich jetzt sehen könnten, müsste ich nichts mehr hinzufügen, denn mein gequältes Gesicht ob ihres Unwissens, die zusammengeführten Fingerkuppen meiner rechten Hand, die ich leidend schütteln würde, würden keine weitere Erklärung erfordern.

Falls doch, erzähle ich Ihnen noch ein, zwei Geschichten, damit auch Sie wissen, worum es heute geht:

Vor vielen, vielen Jahren brauchte ich über eine Firma dringend eine Kreditauskunft. Also beantragte ich beim KSV, dem Kreditschutzverband, für viel Geld eine sogenannte „große Auskunft“, die ich nach mehreren Urgenzen in der Rekordgeschwindigkeit von nur acht Tagen erhielt. Seiten waren es viele, jetzt verstand ich, wieso das acht Tage lang gedauert hatte, aber am Ende der Lektüre wusste ich genauso viel – oder wenig – wie vorher. Die einzige nützliche Information, die ich in dem Konvolut finden konnte, war die Bankverbindung. „Bankhaus Winter“. Jetzt wusste ich sofort, was zu tun war. Ich rief Simon Moskovics, den Eigentümer der Bank, an und fragte, ob er an meiner Stelle der besagten Firma Ware ohne Sicherheiten liefern würde. Er fragte kurz angebunden. „Wie viel?“ Ich antwortete bereitwillig und erhielt unverzüglich im Bruchteil einer Sekunde die wirkliche „große Auskunft“: „Äh!“ und Moskovics legte grußlos auf. Wir telefonierten zwar nur, aber ich konnte seinen schräg gelegten Kopf, seine verächtlich nach unten gezogenen Mundwinkel, seine gequält nach oben wandernden Schultern trotzdem deutlich sehen und wusste alles, was ich wissen musste. Gottlob habe ich daher nicht ohne Akkreditiv geliefert.

Diese Geschichte kannten Sie wahrscheinlich nicht, aber von der folgenden haben Sie doch sicher schon gehört, oder? Na ja, zur Sicherheit. Man weiß ja nicht, wer das liest.

Also. Geht ein Mann ziellos durch Wien und hält einen offensichtlich nichtarischen Mit-Passanten auf, der vom Naschmarkt kommend mit zwei prallen Wassermelonen unter seine Arme geklemmt an ihm vorbeigehen will. „Entschuldigen Sie bitte! Wo ist hier die Linke Wienzeile?“ – Freundlich bleibt der Mit-Passant stehen. „Halten Sie mir bitte einen Augenblick die Melonen?“ – Der orientierungslose Tourist wundert sich, aber tut, wie ihm geheißen wird. Vielsagend zuckt der besagte jüdische Mitbürger mit den Schultern, breitet bedauernd seine Arme, Handflächen nach oben, aus und gibt Auskunft: „Ech weijss?“ (Woher soll ich das wissen?).

Also so geht das, wenn man nichts weiß. Möchte man hingegen auf Jiddisch unvollständiges oder ungenaues Wissen präzisieren, macht man das zum Beispiel so: Nach langer Zeit treffen sich zwei Freunde wieder. Sagt der eine: „Moische! Ech hob gehert, di bist geworn a Millionär?!“ (Moses, es ist mir zu Ohren gekommen, du wärest Millionär geworden.) Sagt der Moische: „Ech bin nischt geworn a Millionär (Arme deutlich über den Kopf nach oben gehoben, Handflächen nach oben, Blick nach oben, Stimme hoch und laut), ech bin geworn a Millionär (Arme deutlich tiefer, auf Hüfthöhe, Handflächen nach unten, Blick nach unten, Stimme tief und verhalten).“ (Ich bin kein Multimillionär, ich bin nur ein Millionär.) Alles klar? Gut.