NU - Dajgezzn

Patscherte Verhältnisse

NU - Ausgabe Nr. 25 (3/2006)
Der Zweierkommentar von Erwin Javor und Peter Menasse

Menasse: Ja richtig, Herr Ober, den Kaffee habe ich bestellt. Aber da ist verhältnismäßig viel Milch drinnen.

Javor: No da sage ich, besser verhältnismäßig viel Milch als unverhältnismäßig viel Milch. Das erinnert mich an den Kampf Israels gegen die Hisbollah. Da haben viele Kommentatoren gemeint, der Einsatz sei unverhältnismäßig. Keiner hat uns allerdings erklärt, wie man Terroristen verhältnismäßig bekämpft.

Menasse: Ja, mit der Verhältnismäßigkeit ist das so eine Sache. Ich bin ein verhältnismäßig freundlicher Mensch, aber wenn ich mir die Spiele der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft anschaue, kriege ich einen unverhältnismäßigen Zorn. Wäre ich nicht verhältnismäßig beherrscht, würde ich gleich in einen unverhältnismäßigen Blutrausch verfallen wollen.

Javor: Apropos Fußball: Der Stronach verliert im Augenblick bei unserer Austria unverhältnismäßig wenig Geld. Noch dazu ist er Westenthaler unverhältnismäßig günstig losgeworden. Angeblich musste er gar keine Abfertigung zahlen.

Menasse: Haider ist ja nur in Kärnten unverhältnismäßig beliebt, im übrigen Österreich ist er verhältnismäßig unbeliebt. Also musste der sich jemanden holen, der auf den Plakaten außerhalb Kärntens verhältnismäßig attraktiv ausschaut. Gorbach kommt ja verhältnismäßig und unverhältnismäßig schlecht an.

Javor: Bei der Bestellung des neuen Generaldirektors des ORF hat Westenthaler aber dann doch einen unverhältnismäßigen Einfluss ausgeübt.

Menasse: Man könnte sagen, da haben sich unverhältnismäßig schlamperte Verhältnisse entwickelt. Alle Farben zusammen ergeben allerdings auch nicht immer zwingend einen netten Regenbogen.

Javor: Aber immerhin lernen wir: Wenn sich die Schwarzen unverhältnismäßig unvernünftig verhalten, kriegen sie halt auch einmal eine verhaltene Watschn.

Menasse: Vielfach wurde kommentiert, dass in die verhältnismäßig deutliche Niederlage der ÖVP unverhältnismäßig viel Bedeutung hinein interpretiert worden wäre. Aber ich habe mich schon unverhohlen gefreut. Bei Frau Lindner musste man immer hoffen, dass sie als Jägermeisterin das Gewehr besser führt als den ORF. Sonst wären ja unverhältnismäßig viele Opfer zu beklagen gewesen.

Javor: Über die Jagd weiß ich nichts, aber unter ihrem Regime wurden im ORF ohnehin genug Leute abgeschossen.

Menasse: Wenn wir schon bei der Politik sind. Wen wählst du denn am 1. Oktober?

Javor: Für mich gibt es unverhältnismäßig wenig Auswahl. Zum Glück ist am 1. Oktober Erew Jom Kippur. Da darf ich mir die Wahlberichterstattung im Fernsehen sowieso nicht anschauen.

Menasse: Heißt das, alle gläubigen Juden gehen nicht wählen? Na, da werden sich die Politiker anschauen, wie viel gläubige Juden es in Österreich gibt.

Javor: Wenn dieser Umkehrschluss stimmen würde, also alle Nichtwähler Juden wären, könnte sich der neue Bundeskanzler Muzicant schon seinen Amtssitz in der Ichmanngasse einrichten.

Menasse: Jetzt sind wir aber unverhältnismäßig weit gegangen. Und das alles beim Sitzen im Kaffeehaus.