NU - Dajgezzn

Politische Farbenlehre

NU - Ausgabe Nr. 21 (3/2005)
Der Zweierkommentar von Erwin Javor und Peter Menasse

Javor: Es ist wahrhaftig ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich sowohl in Israel als auch in Österreich die “Blauen” und die “Orangen” bekämpfen. In Israel haben die Abzugsgegner die Farbe Orange und die Befürworter des Abzugs Blau als ihre Symbolfarbe gewählt.

Menasse: Früher ist man ja noch mit rechts und links ausgekommen, aber seit einiger Zeit versucht man die traurige Dunkelheit der Politik mit Farben aufzuhellen. Schrecklich ist nur, dass man jetzt ganze Teile seiner Garderobe nicht mehr tragen kann.

Javor: Die Erbitterung zwischen Orange und Blau ist in beiden Ländern groß, nur bei den Österreichern wirkt das mangels echten Anlasses schon ziemlich lächerlich. Die streiten sich ja nur um den Nachlass einer komplett bankrotten Leiche.

Menasse: Nach den nächsten Landtagswahlen wird man in Österreich ohnehin nicht mehr von Orangen, sondern höchstens noch von Kumquat reden können.

Javor: Was sind Kumquat?

Menasse: Das sind kleine orangefarbene Früchte mit bitterem Geschmack. Manche sagen auch Zwergorangen dazu.

Javor: Die Blauen werden ja hoffentlich dann auch nur mehr ein brauner Fleck in der politischen Erinnerung sein.

Menasse: Zwetschgenröster, um in der bunten Welt der Früchte zu bleiben.

Javor: Aber die Regierung wird das alles gelassen hinnehmen. Die haben sich mit Superkleber an ihre Sessel angepickt. Und die ÖVP wendet einfach ihren erprobten Taschenspielertrick aufs Neue an.

Menasse: Was meinst du damit?

Javor: Wenn sie nicht mehr weiter wissen, präsentieren sie einfach einen Schuldigen. Beim Waldheim waren es die “bekannten Kreise von der Ostküste”. 1999 die EU-Länder, die Österreich unter “furchtbare Sanktionen” gestellt haben. Und jetzt, wo sie kein Rezept gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit finden, baut Schüssel die Deutschen zu Feindbildern auf.

Menasse: Na ja, nicht alle Deutschen, sondern nur die “rot-grünen” Deutschen. Er kann ja die Wiedervereinigung als Ganzes nicht angreifen, also nimmt er Hartz 4 als Chiffre. Aber gemeint ist natürlich: Die Piefke sind schuld an der österreichischen Misere.

Javor: Eine andere Strategie, die auch immer funktioniert, ist der “Schulterschluss”. Nach den Hochwassern von 1999 und 2002 sind offensichtlich nur unzureichende Maßnahmen getroffen worden, um so etwas für die Zukunft zu verhindern. Also stellt sich der Vizekanzler vor die Kamera und fordert als Ersatz für eigene Maßnahmen einfach einen Schulterschluss der Bevölkerung.

Menasse: Na ja, daher kommt ja auch unsere Nationalflagge: ein roter Kopf vor Ärger, ein weißer Hals, weil nie die Sonne scheint, und wunde Schultern vom Ausbügeln der Regierungsversäumnisse.

Javor: Schön schauen wir aus